Kurz vor dem Schwimmstart läuft Bernd noch einmal zurück zur Wechselzone und tarnt sein Rad mit einer Decke. Der Coup gelingt. Harry, der sich vorher natürlich den Standpunkt von Bernds Rad gemerkt und 5mal abgelaufen ist, sieht es nirgendwo und denkt fortan dass Bernd vor ihm aus dem Wasser kam. Er flucht und schimpft, das gibts doch nicht, zum ersten Mal ist Bernd schneller nach dem Schwimmen als er.
Egal, er denkt sich dass er Bernd beim Radfahren mindestens eine halbe Stunde abnimmt und ihn nach einer Stunde eh einholt. Er legt sich sogar schon einen witzigen Spruch bereit für das Überholmanöver 😉
Nach 100km wundert Harry sich langsam, weit und breit kein Bernd in Sicht. Bei km 160 plagen ihn schon die ersten Zweifel, ob sein Kontrahent wohl verbotene Substanzen zu sich genommen hat, das gibt es doch nicht!!
Endlich die Laufstrecke, Harry sieht Denise (eine Bekannte der beiden) und ruft ihr zu „Ist Bernd schoon duurch??!!“ Sie antwortet „Ja“, wie sich später herausstellt hat sie Harry gar nicht richtig verstanden, aber hat einfach mal „ja“ gerufen…Harry geht mit einem 5er Tempo an, was eigentlich viel zu schnell für ihn ist, aber Bernd ist ja vor ihm, es bleibt ihm also keine Wahl. Schließlich geht es heute um viel – der Verlierer muss 400km am Stück Radfahren…und Harry möchte das auf keinen Fall erleben! :))
Nach einer Runde (4 Runden a 10,5km, keine Wendepunktstrecke) sieht er seine Frau und will nun konkret wissen wo Bernd ist.
„6 Minuten vor dir“ hört er staunend, das darf doch nicht wahr sein!
Harry läuft noch schneller, merkt aber bei km 20 dass es nicht mehr geht, der Magen streikt, kein Ziel mehr vor Augen: er muss gehen…
Bei km 28 war er dann da, Bernd auf seiner vermeintlichen Überrundung, doch zu Harry’s Überraschung hatte er dasselbe farbliche Bändchen am Arm wie er!!! d.h. er war die ganze Zeit hinter ihm, ja Harry war sogar nach der ersten Laufrunde 6min vor der Überrundung von Bernd gestanden!!! :)) Mit diesem Wissen hätte er das Ganze locker nach Hause geschaukelt und hätte sich nicht so verheizen müssen. Was für eine bittere Niederlage!!
Da Wettschulden natürlich Ehrenschulden sind, begab sich Harry im Folgenden wirklich und wahrhaftig auf die 400km Radtour.
100 km Lauf von Biel
Wenn die meisten schlafen, gibt es auch welche die Laufen, z.B. 100 km in Biel von 22.00 ab bis in den nächsten Tag hinein. So auch im Fall Harry und Bernd. Dazu sei angemerkt dass bei Bernd (laut eigenen Aussagen) das Trainingsbudget, aufgrund seiner anderweitigen Verpflichtungen echt „auf Kante genäht“ ist (nur 720 Trainingsstunden im Jahr). Um auf sein Budget zu kommen kann er manchmal eben nur nachts ein kleines Läufchen machen, wenn andere tief und fest schlafen.
Harry und er liefen die ersten 30 km gemeinsam, dann startete Bernd eine Attacke als Harry gerade in einen Telefonanruf aus Deutschland (Stefan) verwickelt ist und beschleunigte. Aber nach ca 2 bis 3 km holte ihn Harry wieder ein. Bernd gab nicht auf, im Gegenteil: ca. 5 km später, nach einer weiteren Verpflegungsstation, bei der er nichts zu mir nahm, wollte Bernd es wissen und Harry endlich abhängen. Das ging ganz gut, beim Durchlaufen einer kleinen Ortschaft mit vielen Kurven baute er den Vorsprung aus, sodass Harry ihn fortan nicht mehr sehen konnte, die Kurven der Ortschaft leisteten hierfür gute Dienste. So lief er alleine bis km 60, wollwissend, dass, wenn der Gegner einen nicht mehr sieht, er moralisch schneller aufgeben würde.
Was Bernd aber nicht wußte, war, dass auch Staffeln mit am Start waren und die Militärmeisterschaft stattfand, die nur Teile der 100km liefen und somit schneller laufen konnten (z.b. 33 km), er war überrascht, dass ihn immer wieder Läufer, sogar in Scharen überholten. So ging der Stress weiter: „Ist es Harry, der mich da schon wieder überholt?“ Es war nämlich stockduster! Bei km 60 in Kirchberg in der Nacht um ca. 4:00, einer der größten Verpflegungsstationen des Laufes (es gab neben Bouillon, Brötchen alles was das Herz begehrt), sah er genau auf die hinter ihm Einlaufenden, um Harry nicht zu verfehlen, falls er versucht, unbemerkt an ihm vorbeizulaufen. Er kam nicht, so gönnte Bernd sich noch 2 Minuten extra Pause um sich für den berühmt-berüchtigten HoTschi Minh – Pfad, ein leicht abschüssiges ausgetrocknetes Flußbett als single Trail in total finsterer Umgebung, vorzubereiten.
– hier muss man kurz anmerken dass beide wirklicher Meister der unbemerkten Überholvorgänge sind, das Wechseln der Klamotten (mitten im Wettkampf) kurz vor dem Überholen ist da noch eher harmlos bzw. völlig normal –
In den folgenden 10 km dieses Pfades vermutete Bernd ihn immer knapp hinter sich, im Nachhinein stellte sich auch heraus, dass Harry, aufgrund einer Tempoverschärfung seinerseits ihm dicht auf den Fersen war und Bernd sprichwörtlich „riechen“ konnte. Immer wenn Bernd einen Rempler von hinten (da ist ein Durchlauf durch Nürnbergs Breite Gasse in der Weihnachtswoche ein Dreck dagegen!) von einem Überholenden bekam, in dieser Finsternis, dachte er, Harry sei es. Aber er war es nicht. Bei km 74 machte Bernd eine Pinkelpause und drehte sich dabei gegen die Läufer, nur um sehen zu können ob er nun endlich kommt? Er kam nie, aber er war bei km 78 so dicht an Bernd dran, dass er ihn (seine Silouette) in der Ferne sehen konnte.
Im „Tal des Todes“ bei km 90 und bei stechender Sonne am Morgen gegen 7.30 wurde Bernd langsamer (sein Ziel, die 100 km unter 10 Std. zu laufen mußte er aufgeben), fast bei jeden Schritt drehte er sich um, in der Katastrophenphantasie, Harry doch noch zu sehen. Endlich nach 100 km und 10:38 Gesamtzeit war Bernd im Ziel. Was für eine Tortur!!
Harry bekam bei km 80 Blutblasen und konnte danach nicht mehr richtig laufen, ca. 2 Std. später erreichte auch er das Ziel. Bernd hätte sich einige Pulsschläge sparen können als er sich während der letzten 10 km ständig nach Harry umdrehte 😉
…beim nächsten Mal ist Harry dann am Drücker!! 🙂
viel Spaß beim nächsten Wettkampf mit den Freunden!
krelli